12/23/2008

offizieller testbericht: busfahrten im vergleich

Hohoho, es weihnachtet sehr. Mein diesjähriges Fest wird das erste weit von zuhause sein, denn seit gestern bis noch zum 2. Januar bin ich in Montréal. Gestern also die Busfahrt mit den berühmt-berüchtigten Greyhound-Bussen.
Bekanntlich fahre ich sehr gerne in Überlandbussen, Kindheitserinnerungen kommen hoch. Doch, wenn ich mich erinnere, die letzte lange Busfahrt war von Antiochia nach Konya und von dort nach İstanbul, anno 2005, lange ist’s her. Doch ziehen wir den Vergleich. Ist Busfahren in der Türkei oder in den Vereinigten Staaten angenehmer?

a) Der Bus
Amerika: Ich überlege und überlege. Doch ich kann mich nicht erinnern, jemals in so einem alten Bus gesessen zu haben. Vielleicht waren manche syrischen Vehikel verschlissener, aber älter? Nein. Die Syrer kaufen alte deutsche Reisebusse. Was aber machen die Amerikaner? Alte syrische Busse kaufen? Wohl kaum.
Türkei: Die Überlandbusse sehen so aus, als ob man noch die Schutzverpackung von den Sitzen ziehen müsste, alles glänzt. Über Geschmack bezüglich der Wurzelholzarmlehnen kann man sich streiten, aber insgesamt kann man sagen, dass vielleicht Deutschland gebrauchte türkische Busse kaufen sollte, um sie dann an die Syrier und die dann an die Amerikaner... und jeder wäre glücklich.

b) 30 Minuten nach der festgesetzten Abfahrtszeit
Türkei: Wir sind auf der Autobahn. Einer der mindestens zwei Busbegleiter geht mit einer riesengroßen Flasche Eau de Cologne herum und bespritzt die Gäste. Protest unmöglich. Manchmal ist das auch gut so.
Amerika: Allmählich sind wir alle an Bord und der Spaß kann los gehen. Wir fahren aus der Busgarage aus.

c) 60 Minuten nach der festgesetzten Abfahrtszeit
Amerika: Wir befinden uns jetzt auf der richtigen Straße. Leider hatte sich der Busfahrer beim Ausfahren aus dem Busbahnhof in Boston verfahren. Vielleicht ist es sein erster Tag.
Türkei: Der Busfahrer lächelt, erstens, weil er auf der richtigen Straße ist, und zweitens, weil er wüsste, dass er sich nicht einmal an seinem ersten Tag solch einen Fauxpas erlauben dürfte. Die Busbegleiter gehen herum und verteilen Cola und kleine Sandwichs mit Aufklebern der Busfirma auf der Verpackung.

d) Der erste Zwischenstopp
Amerika: Wir kommen bei einem kleinen Flughafen außerhalb Bostons an. Aus dem voll besetzten Bus steigen drei Passagiere aus. Und zehn ein. Wer braucht schon Mathematik, wenn sieben neue Passagiere jetzt eben im Mittelgang zwischen ihren Taschen stehen. Sie sind sowieso dankbar, da sie ja bei etwa -10°C eine Stunde draußen auf diesen Bus gewartet hatten. Wer will da noch einen Sitzplatz. Die Tickets von Boston nach Montréal kosten schließlich auch nur 183$.
Türkei: Kurz vor der ersten Raststätte, wo jeder Toiletten, Shop und Cafeteria benutzen darf und kann, sammeln die Busbegleiter den Müll der leckeren Sandwichs ein. Der Fahrer lächelt, er ist fünf Minuten schneller als der Fahrplan.

e) Der zweite Zwischenstopp
Amerika: Alle sind ein bisschen verwundert. Nicht nur, dass wir uns dreißig Minuten in Boston verfahren haben, nein, der Busfahrer hat nun auch den zweiten Stopp vergessen. So was passiert eben. Der zweite Stopp ist nun also eigentlich der dritte. Wir wechseln den Busfahrer. Vermutlich hatte der erste einen Nervenzusammenbruch. Morgen wird er die Busfirma verklagen. Niemand traut sich wirklich auszusteigen, denn man kommt nur dann wieder in den Bus rein, wenn man eine re-bordig-card bekommt. Und wer weiß. Bei all diesem Tohuwabohu. Außerdem, was will man schon in Montpelier/Vermont. Naja. Vielleicht eine Schneeballschlacht.
Türkei: Kein Unterschied zum ersten Stopp festzustellen. Es ist vielleicht etwas beunruhigend, dass die mitreisenden Großmütter, die einen beachtlichen Teil der Reisegesellschaft stellen, bei jedem Halt etwa sieben Tonnen Süßigkeiten kaufen. Aber unten im Bus ist viel Platz dafür.


f) Der dritte Zwischenstopp

Amerika: Kein Unterschied zum zweiten/dritten Stopp festzustellen. Die Reihen lichten sich etwas. Jeder hat mittlerweile einen Sitzplatz, der neue Busfahrer pöbelt grundlos einzelne Mitfahrer an und denkt, er sei lustig, während ein anderer Fahrgast feststellt, dass sein Laptop gestohlen wurde. Da die Stopps immer länger dauern als geplant, ist die Verspätung mittlerweile auf neunzig Minuten angewachsen.
Türkei: Der Busfahrer lächelt, weil er mittlerweile dreißig Minuten schneller denn sein Fahrplan ist. Und nicht nur deswegen, sondern, weil wir nun seinen Lieblingsrastplatz erreichen. Lange Pause. Hier kann man nämlich harten Alkohol in Mengen kaufen. Oder Beten, einen wunderbaren Betsaal gibt es an der Raststätte nämlich auch. Und so teilen sich die Mengen, die Großmütterchen denken nicht nur an ihre Enkelkinder, sondern auch an ihre Ehemänner und kaufen Schnapps was das Zeug hält, während der Busfahrer diese Aufgabe an die beiden Busbegleiter delegiert und selbst das Abendgebet vollzieht. Allahu akbar.

g) Die Ankunft
Türkei: Fazit – pünktlich, bequem, zuverlässig. Ist das nicht furchtbar langweilig?
Amerika: Fazit – endlich! Eines der letzten Abenteuer der Menschheit. Das, was unsere sinnentleerte Gesellschaft benötigt: Menschliche Nähe bis zum Äußersten, Wärme, Kälte, Polsterfedern im Rücken, Risiko, Spontaneität. So soll’s sein.

3 Comments:

Blogger Maria said...

Soooo schlimm sind die Amis doch gar nicht! *seufz*

4:07 AM  
Anonymous Anonym said...

Es ist halt so, dass die USA ein Land des Autos sind und "nur" Studenten und andere Kaliber benutzen, die man wegen der politischen Korrektness - in Brasilien voll gelernt - nicht nennen darf, evtl. gehören dazu Studenten auch?!.
Hier in BR ist es wie du es aus der Türkei kennst. Das Lächeln gehört hier dazu. Dessen Bedeutung lernt man hier auch bald.
Wie auch immer, feliz Ano Novo - Montréal vaut bien toute la peine (v. François I, der war es doch, oder?)! Grüss es von mir.
Elisabeth aus S.P. - BR

11:08 PM  
Blogger Maria said...

Ich nehm alles zurück und behaupte das Gegenteil. :)

12:41 AM  

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