9/24/2006

nachtrag I: roma doppia

Wie einige schon feststellen durften oder auch mussten, hat mich die Heimat wieder. Dieser Zustand ist gar nicht so selbstverständlich, wie die Banalität dieses Einstiegsatzes es erahnen lässt. Denn die gute Fluggesellschaft Alitalia hat nun auch den letzten ihrer treuen Befürworter verloren. Per Wireless-Lan gab ich noch am Ben-Gurion Flughafen in Tel Aviv nachhause Bescheid, dass alles wie am virtuellen und aerolimanischen Schnürchen liefe. Stimmte auch, sogar die Eisverkäuferin hat mir stolze 10 Agorot Nachlass für mein letztes Eis gewährt, als sie gesehen hatte, dass ich a) diese nicht besitze und b) ein neckisches Umhängetäschchen von der Ben-Gurion mit mir führte, das ihr kundtat, dass ich es zumindest bestimmte Zeit in ihrer Heimatstadt Beersheva ausgehalten hatte. Nachdem wir uns munter auf Hebräisch gegenseitig versicherten, wie vortrefflich schön es doch dort sei – und uns nicht so recht erklären konnten, wieso wir offensichtlich beide nicht mehr in Beersheva sind, konsumierte ich die besagte Milchspeise und stieg mit einem frischen Corriere della sera bewaffnet in den Flieger – diesmal ohne religiöse Turbulenzen wie auf dem Hinflug, wenn man von den durchaus bewegten Artikeln im Corriere über die angeblich antimuslimischen Worte des Papstes in meiner schönen Heimatstadt einmal absieht.
In Rom-Fiumicino setzte ich erstmal eine SMS an Eva-Maria Richtung Santa Maria Maggiore ab und kaufte natürlich noch ein Buch. Wie gerne hätte ich just an ihrem Todestag noch das letzte Pamphlet von Oriana Fallaci, La forza della ragione
, erworben. Doch im Gegensatz zum Mailänder Flughafen, der voll von Büchern der Florentinerin ist, war es in Fiumicino schon schwierig genug, zwischen Rosamunde Pilchers anders gearteten Pamphleten noch wenigstens einen belanglosen neuen Roman von Andrea de Carlo zu finden, aber man will sich nicht beschweren.
Mit dem frisch erworbenen Büchlein bewaffnet schleppte ich mich und meine fünf Taschen Handgepäck vorbei an einem Telephon, von dem meine lieben Eltern zuhause zum Losfahren gen München gerufen wurden, an das Gate.
Etwas ärgerlich war es schon, dass wir immer wieder vertröstet wurden, doch richtiges Entsetzen machte sich eher breit, als dann 21.30 Uhr (21.05 Uhr hätte der Flieger starten sollen) der Flug ganz gecancelt wurde. Angeblich kein Streik, sondern eine Folge der hohen Landegebühren in München, die sich verdoppeln, wenn ein Flugzeug nach 23.00 Uhr dort ankäme. Offensichtlich war es billiger für Alitalia, alle fünfzig Passagiere in ein ganz schönes Hotel (ok, zugegeben: es war im Vergleich zu den Backpackerabsteigen in Syrien, zum Wohnheim in Israel, zum Priesterseminar in Budapest und den Jugendherbergen in England definitiv das beste Hotel, in dem ich in den letzten vier Jahren genächtigt habe). Doch an der schönen Einrichtung hatten wir allesamt wenig Freude, da wir erst um 1.00 Uhr nachts ankamen und bereits um 6.00 Uhr wieder im Bus zum Flughafen saßen. Ich hatte noch viel weniger Spaß, hatte ich doch alles, was mir unnötig erschien, bereits in Tel Aviv aus meinem Koffer verbannt: Ich besaß also keine Zahnbürste, -pasta, Haarshampoo, Kontaktlinsenbehälter und –flüssigkeit und so weiter und so fort. Da half auch die Lage an der Via Aurelia nichts, wo ich – nun auch endlich eine Erklärung des kryptischen Titels dieses Eintrages – ganz in der Nähe mit großer Wahrscheinlichkeit und inshallah ein Praktikum am Deutschen Historischen Institut im kommenden September machen darf.
Zurück aber zu meinen grün gekleideten Freunden am Alitaliaschalten morgens um 7.00 Uhr in Fiumicino. Um 15.40 Uhr sollte mein Ersatzflug gehen. Um wieder einen Bogen zu ziehen, und es mit Oriana Fallacia auszudrücken: Vi sono momenti nella vita, in cui tacere diventa una colpa e parlare diventa un obbligo. Ich schwieg also nicht, sondern verursachte eine wirklich orientalische Schimpforgie auf das bemitleidenswerte Bodenpersonal, dem ich einen Blockadestreik ihres Schalters androhte („ich geh hier nicht eher weg...“) – und hatte Erfolg: Einige Stunden später saß ich in einer Lufthansamaschine und kam so doch noch irgendwie ins heimatliche Bayern...