2/02/2009

weltfrieden im supermarkt

Vor ein paar Tagen bei einer großen Podiumsdiskussion in SOAS mit Tariq Ramadhan ("un petit Le Pen arabe") und Karen Armstrong als prominenten Diskutanten. Ghazza, Israelboykott, globaler "friedlicher" Widerstand und was man sich sonst noch wünscht.

Ich finde ja das Vorgehen Israels in Ghaza auch schrecklich, doch diese Diskussion war schon sehr einseitig. Als Dritte war noch eine Salma Yaqoub geladen, Stadträtin in Birmingham, deren Aussagen ziemlich radikal waren (israel. Produkte im Supermarkt auf den Boden werfen etc...), auch Tariq Ramadhan war sehr polemisch und schrie und kreischte vom Weltfrieden und Völkerrechtsverletzungen die ganze Zeit wie ein böser Mullah im Iran...


Karen Armstrong kann man leider nur noch "dumm" nennen. Sie ist hier in England sehr berühmt. Eine exaltierte ehemalige katholische Nonne, die mit zweifelhaftem Erfolg versucht hat, Religionswissenschaft zu studieren, und deren Doktorarbeit (genauso wie die erste Fassung Tariq Ramadhas Arbeit über seinen Großvater Hassan al-Banna, den Gründer der Muslimbrüder) so oft abgelehnt wurde, dass sie es aufgegeben hat und lieber erfolgreiche Bücher schreibt. Es ist schade zu sehen, wie solche Pseudo-Autoritäten (gut, dass wir in Deutschland Peter Scholl-Latour und Konsorten haben) windige Bücher schreiben, am besten noch drei Stück pro Jahr, und Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller das brav kaufen und diese dummen Menschen noch reicher machen. Ihr Vortrag ging über eine von ihr ins Leben gerufene globale "Charter for Compassion". Nach ihrem unerträglichen Gelabere hätte ich am liebsten vor lauter Compassion einen Baum umarmt.

Dazu noch drei ultraorthodoxe Rabbis im Publikum, die freilich hochgradig antizionistisch eingestellt waren, ziemlich sicher den Staat Israel nicht anerkennen, und damit die Diskussion nicht gerade objektiver gemacht haben. Die dreimal gestellte Frage, ob man nicht auch al-Hamâs kritisch sehen sollte, wurde - wenn überhaupt darauf eingegangen wurde (zweimal wurde sie nämlich einfach übergangen) - lediglich damit beantwortet, dass sie demokratisch gewählt sind mit 70% der Stimmen. Ich weiß die Wahlergebnisse nicht, im Internet finde ich jedoch nur die Zahl 44%. Wie auch immer, dass sie 2007 Ghazza gewaltsam unter ihre Kontrolle gebracht haben, war offensichtlich vergessen. Allenthalben Vergleiche von Israel mit südafrikanischer Apartheid und natürlich den Nationalsozialisten.

Hier in England bildet sich langsam, zumindest stellt es sich mir so dar, die Meinung, dass Israels "Bonus" mit dem Totschlagargument (huch, vielleicht die falsche Wortwahl) "Holocaust" aufgebraucht ist. Insofern hätte ich mir gerne bei der Podiumsdiskussion die Frage erlaubt, ob folgender Vergleich nicht angebracht wäre: Man kann sicherlich konstatieren, dass PLO und al-Fatah großflächig versagt haben. Die Milliarden, die von Amerika und EU dorthin geflossen sind, sind nur tröpfchenweise bei den notleidenden Menschen angekommen, die folglich an ihren politischen Organisationen/Parteien ordentlich gezweifelt haben. Eine neue Bewegung, al-Hamâs kommt und tut genau das, was getan werden muss. Sie bauen Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Altenheime und geben als Gratisbeigabe noch eine Verstärkung des Feindbildes von außen, Israel, hinzu. Wer ein schlauer Palästinenser ist, sieht, dass es auf einmal eine Partei gibt, die tatsächlich etwas für die Menschen tut, und wählt al-Hamâs. Wer ein dummer Palästinenser ist, tut genauso aus denselben Gründen und weiß, dass er, sein Umfeld, sein Land kein Quäntchen Schuld trägt an all der Misere, sondern fokussiert den Feind von außen. Soweit die Situation in den letzten zehn Jahren. Ende der Zwanziger Jahre, Deutschland, eine Partei, die etwas für ein Volk tut, ein Feindbild, diesmal von innen, dramatisch hohe Wahlerfolge (und damit meine ich die "legalen" Wahlerfolge in den drei Jahren vor der Machtergreifung). Fehlt der Vergleichspunkt? Ich bin mir weiß-Gott nicht sicher.

Aber natürlich habe ich mich nicht getraut, das zu fragen. Erstens traute ich sicherlich meiner "allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden" nicht ganz, und zweites hätte ich dann noch unbeschadet aus dem Saal mit etwa 350 begeisterten Palästina-Anhängern und noch mal 50 im Foyer herausfinden müssen.

Vorhang zu. Wir sind betroffen. Vielleicht sollten wir alle öfter ein paar Bäume umarmen.

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die neuesten veränderungen

Seit drei Wochen bin ich nun von Boston nach London übergesiedelt. Das Klima bekommt mir sehr viel besser. Der Aufenthalt in Harvard war sehr schön und arbeitsam, aber der letzte Monat (mit einer größeren Reise nach Montréal und New York) war etwas überschattet davon, dass ich ziemlich heftig krank geworden bin. Abends Fieber, nächtliches Patschnass-Schwitzen, begleitet von zahlreichen Nebenerscheinungen, von Weihnachten bis Silvester Halsschmerzen in bisher nie gefühlten Dimensionen, Gliederschmerzen so stark, dass ich einen Tag nicht gehen konnte, und andere lustige Begleiterscheinungen. Ich habe meine sehr teure Krankenversicherung in Harvard noch ganz ausgereizt und wurde auf ungefähr alle Krankheiten, die auch nur im Entferntesten infrage kommen könnten, getestet. Alles negativ. Freilich ist es angenehm zu wissen, was man alles nicht hat, aber trotzdem bleibt ein flaues Gefühl im Magen, wenn man nicht genau weiß, was man wirklich hatte. Ich vermute, es hatte auch etwas mit meiner Heizsituation zu tun, denn in meinem Zimmer in Boston funktionierte die Heizung nicht – und bei der Isolierung der Fenster machte es eigentlich keinen Unterschied, ob letzteres offen oder geschlossen war. Bei -20°C Außentemperatur fröstelte ich drinnen mit 5-8°C. Brrrr.
Eine weitere nur peripher interessante Neuerung ist der Haarschnitt. An einem schönen Sommertag 2008 entschied ich, mir einmal die Haare wachsen zu lassen. Mehr als ein halbes Jahr später war das Ergebnis immer nur noch peinlich. Angeblich wachsen Haare etwa 1cm pro Monat, so erinnere ich mich, das einmal von meiner Friseuse gehört zu haben. Meine Haare hingegen würden niemals ein Wettrennen gewinnen, einfach enervierend langsam. Deswegen griff ich zur bewährten Schere und habe das Debakel abgeschnitten und das Wagnis der längeren Haare ein für alle mal aufgegeben. Da fielen die Locken. Wenn ich denn welche hätte.

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