2/27/2007

bilder aus anjar

Der sog. Große Palast von Anjar
Die armenische Kirche in Anjar
Andreas in der ergreifenden Trostlosigkeit des modernen Anjar

wo die armenier wohnen...

Letzten Samstag fuhren mein Mitpraktikant Andreas und ich nach Anjar in der Bekaa-Ebene. Das Städtchen sticht aus diesem durchaus hisbollahlastigen Gebiet allein dadurch heraus, als dass es ca. 99% christlich-armenische Einwohner hat. Die Ausgrabungen von Anjar wiederum stechen dadurch heraus, als dass sie die einzigen im Libanon sind, die spezifisch nur aus einer einzigen Epoche, nämlich der umayyadischen, stammen. Der Umayyadenkalif al-Walid I. erbaute hier in sehr spätantiker Tradition eine rechteckige Stadt (wie ein Römerlager) mit stattlichen Palast- und Badeanlagen. In puncto Erreichbarkeit unterscheidet sich allerdings Anjar keineswegs von jedem durchschnittlichen libanesischen Dorf. Andreas und ich dachten nach einem kurzen Dorfspaziergang durch die erbärmliche Öde eines Sommerdomizilortes im Frühjahr (die wenigen Leute, die wir trafen, hatten sich schon mittags mit Arak in zweifelsohne stimmungsvollere Gefilde versetzt) schon fast, wir müssten zu Fuß die komplette Bekaa-Ebene durchqueren. Denn richtige Minibusse nach Beirut gibt es erst wieder in Schtaura, auf der anderen Seite der Ebene. Während wir uns noch munter ausmalten, wie uns die Hisbollah nun am showreifsten kidnappen könnte, fand uns dann doch noch ein Taxi, das uns ganz unspektakulär nach Schtaura zum Minibus brachte. Der wiederum war showreif, als eine Gruppe Jugendlicher in fußballmannschaftlicher Stückzahl in den eh schon vollen 9-Personen-Bus zustieg. Gesellig ist man eben in der Bekaa.

2/23/2007

geburtstagsgrüße

Für Tina gibt es heute ganz spezielle Geburtstagsgrüße aus dem Libanon.Für das von langer Hand geplante Photo mit der ihr sicherlich noch aus alten Orientinstitutszeiten wohlbekannten Beiruter Promillenz nahm ich ein halbstündiges Gespräch über Alessandria, bella città della nostra (vero?) gioventù, in Kauf, das abrupt damit endete, dass die rechte der beiden Damen ihr viertes oder fünftes Gläschen Wein über ihre Bluse kippte, worauf die andere unmittelbar danach ein ganzes Glas auf den Boden fallen ließ. Mit einem süßen 'Wir warens nicht'-Lächeln schunkelten sie sich dann nach Hause.

neue möbel für goethe

Heute wurden zwei ganze Container neue Büromöbel für das Goethe Institut geliefert. Mein Mitpraktikant Andreas und ich verbrachten dafür den ganzen Nachmittag damit, einhundertachtundachzig verschiedene Pakete mit Schreibtischen, Schränken sowie uns gänzlich unbekanntem Mobiliar (jetzt wissen wir, was ein 'Moby' und was ein 'CPU-Board' ist) über zwölf Möbelpacker in die drei Stockwerke des Instituts zu verteilen, Listen abzuhaken und zu kontrollieren, dass auch jeder Raum die Pakete abbekommen hat, die für ihn bestimmt waren. Jetzt beginnt für die aus Deutschland eingeflogenen Monteure die Arbeit, alle Dinge zusammen zu bauen, ich hingegen liege vollkommen fertig im Schreibtischstuhl in Gemmayze, habe es gerade noch geschafft, die Schildkröten zu füttern, und werde jetzt erst einmal ein bisschen Spätnachmittagsschlaf halten. Möbel ahoi!

2/20/2007

meine mitbewohner

Eben habe ich meine Mitbewohner auf dem Dach gefüttert. Ich glaube zwar, es sollten drei sein, aber ich konnte nur zwei finden (die ich spontan A und B nach ihrem Auffindungszeitpunkt getauft habe). A hat sich an den frischen Salat einigermaßen hingetraut, B ist eher langweilig. Beim Essen erwischt.
Kopf weg.
Kopf vorsichtig wieder raus.
Linkskurve...
Und weg.
Das hier ist die langweilige Schildkröte. Ganz schön groß und kräftig. Die konnte sich so verkeilen, dass ich sie für ein hübscheres Photo nicht aus ihrem Eckchen rausheben konnte...
Mein 'richtiger' Mitbewohner sollte nun in den nächsten Minuten kommen...

wohnsituation

Heute, am Dienstag, ist auch schon Stefans Abreisetag gekommen. Er ist für fast vier Wochen in Jordanien, Israel und der Türkei unterwegs. Ich dachte bislang, ich müsste ganz alleine in der großen Wohnung mit den Furcht einflößenden Schildkröten auf dem Dach auskommen, aber dem Himmel sei Dank kommt ein „neuer Mitbewohner“, der praktischerweise auch gleich noch „Stefan“ heißt, und wohl auch ein ehemaliger Praktikant von Stefan ist. Außerdem ist heute ein neuer Praktikant von Stefan (der aber nicht „Stefan“ heißt, sondern Jan) angekommen, den Stefan nun nicht mehr einarbeiten konnte. Deswegen werde ich mich jetzt dann mal ans Orientinstitut begeben und schauen, was ich noch von der Datenbank weiß, an der ich im letzten Jahr gearbeitet habe, und dann dem neuen Praktikanten das zu vermitteln versuchen. Außerdem kommt am 3. März meine Mitbewohnerin Miriam auf Besuch – d.h. hier wird richtig was los sein. Nachdem die letzte Woche eher beschaulich und arbeitsam war, freue ich mich sehr über ein bisschen Abwechslung.

therapie-knete

Was ich ganz zu erwähnen vergaß. Im Alitaliaflug von München nach Mailand letzten Montag saß neben mir ein geschäftsreisend aussehender Mittvierziger, der, kaum saß er auf seinem Platz, eine medizinisch aussehende Metalldose rausholte: Therapie-Knete. Ich wusste ja, dass manche Borderliner sich Lego-Steine in die Schuhe tun, wenn sich gerade einen Anfall haben und sich sonst was aufschlitzen wollen. Aber Therapie-Knete war mir neu. Jedenfalls scheint’s was gebracht zu haben, denn mein Nebenmann überlebte den Flug und das Essen von Alitalia ganz wie wir alle anderen auch.
Heute habe hingegen ich mir recht häufig solche Knete gewünscht. Meine Laune war (und, um ehrlich zu sein: ist immer noch) nicht gerade sonderlich gut. Aufgrund ärgerlicher Zusammenhänge habe ich heute die Strecke „Zuhause-Manara (bei Goethe)“ stolze fünf Mal fast unmittelbar hintereinander zurückgelegt. Einfach dauert der Weg etwa 50 Minuten... Verbunden mit der Tatsache, dass meine Arbeit am Goethe Institut noch nicht wirklich befriedigend angelaufen ist (bislang habe ich, wenn man Tätigkeiten, die keine Praktikantenjobs sind, einmal abzieht, noch nicht sehr viel geleistet). Außerdem habe ich von meinen Eltern erfahren, dass die Post eine Büchersendung, die ich noch unbedingt weggeschickt haben wollte, offensichtlich unwiederbringlich verschlampt hat, was eine wirkliche Katastrophe für mich darstellt, da man das Buch nicht wieder bekommen kann, und ich hochheilig versprochen habe, es ja sorgsam zu behandeln...
Fazit: Kaum wird das Wetter besser, geht meine Laune in einen ziemlich tiefen Keller. Beim letzten Mal Heimlaufen heute bekam dann meine Umwelt in Form eines Rosenverkäufers und eines kleinen Soldaten meine angestaute Wut auf die verfahrene Situation, die heimtückische Welt an sich und alles und überhaupt zu spüren. Letztern habe ich solange und so laut zusammengebrüllt, bis er den Stacheldraht weggeräumt hat, und ich eine gestern noch passierbare Straße auch heute passieren konnte. Wahrscheinlich hat er jetzt miese Laune und erschießt den Nächstbesten, der ihm über den Weg läuft. Prosit.

2/19/2007

bilderbogen ausflug

In Bet Meri: Wilma mit Gras:
Sara mit Wilma:
Zeki mit Blume:
Saray in Salima:
Stefan und der Saray von Salima:
Die Treppe zum oben abgebildeten Portal:
Die Erstellung dieses Blogeintrages nahm übrigens dank zweier Stromausfälle während des Hochladens und der unerträglichen Langsamkeit dieses Computers in geschickter Kombination mit technischem Unvermögen meinerseits gute zwei Stunden meiner wertvollen Praktikantentätigkeit bei Goethe heute in Anspruch.

beiruter hinterland

„Wie geht’s weiter?“ - „Fahr links!“ - „Links gibt’s nicht!“ Am Samstag waren wir in den Bergen. Wir, das heißt Sara mit Tochter Wilma und Mutter, Stefan, Zeki, der souverän das Auto durch den Beiruter Straßendschungel manövriert hat, und ich. Ziel unseres Ausfluges war es, Provinz-Saray-Bauten in Dörfern in den Bergen nordöstlich von Beirut ausfindig zu machen, die Stefan vor seiner Abreise aus dem Libanon gerne noch einmal – oder überhaupt erstmal – sehen wollte. So begannen wir nach einer wirklich abenteuerlichen Ausfahrt in Beit Meri, wo wir den herrlichen Blick auf Beirut unter uns genießen konnten und in den spätantik-byzantinischen Ruinen erfolgreich eine Badeanlage bestimmen konnten. Mit dem Auto weiter in den Ort, dort in den Kreisverkehr (aber entgegen der Fahrtrichtung, sonst wär’s ja langweilig) und dann erst einmal Mittagspause. Ein weiterer Saray-Bau (was in dieser Gegend wohl ziemlich undifferenziert zwischen „besseres Haus“ und „in mehreren Bauphasen erbaute prächtige Anlage“ schwankt) und ein mamlukischer Brunnen in Ras el-Metn, und dann das große Verfahren: Den Ort Salima hätten wir wirklich fast nicht gefunden, wenn nicht ein lächelndes, hübsches Mädchen uns ganz bezaubernd erklärt hatte, wohin wir müssten. Gute zehn Minuten fröhlichen Verfahrens später winkte uns genau ebendiese immer noch ganz bezaubernd aus einem nagelneuen Mercedes und fuhr schließlich solange vor uns her, bis wir am Saray angekommen waren. Und ward zu aller Enttäuschung verschwunden und fortan nie mehr gesehen. Dafür lohnte der Saray in Salima mit blühenden Obstbäumen vor der Südfassade. Der Heimweg führte uns dann über Bikfaya, wo letzten Dienstag die Bomben explodiert sind, noch zu einem weiteren Saraybau in Baskinta, dessen genaue Inspektion wir allerdings dann recht erschöpft Stefan überließen, und uns in einem kleinen Laden von der Besitzern in ganz selbstverständlichem fließenden Französisch Kaffee und Kekse servieren ließen, und nur leider für die Ladenbesitzerin die Frage, wer von uns drei Herren (Zeki, Stefan oder ich) nun der Vater der kleinen Wilma sei, nicht wirklich zufrieden stellend klären konnten. Mit vollem Bauch und ebensolchen Windeln ging es schließlich zurück nach Beirut.

2/15/2007

a day at home

Ich bin positiv überrascht, was ein freier Tag arbeitstechnisch so bringen kann. Für meine Verhältnisse bin ich zeitig aufgestanden und habe mich an meine Bücher gesetzt. Irgendwann habe ich festgestellt, dass es in Stefans Wohnzimmer, wo ich meinen Computer aufgebaut habe, so kalt war, dass ich meinen Atem in der kalten Zimmerluft habe aufsteigen gesehen. Deswegen bin ich dann mit einem Buch auf die Terrasse umgezogen, wo ich dann auch ordentlich vom Märtyerplatz, der ja zu Fuß nur etwa 5 Minuten entfernt ist, beschallt wurde. Dort war heute die große Demonstration mit viel Musik, Gesang und politischen Reden. Passiert ist übrigens bislang nichts. Ich hab mir die Sonne auf den Bauch scheinen lassen und tatsächlich mehr als das geplante Tagespensum gelesen, obwohl ich zwischendurch mehrfach herrlich eingeschlafen bin (den Kopf sanft auf das Marmorfensterbrett hinter dem Sonnenstuhl gebettet). Um 15:00 Uhr etwa habe ich mich dann rausgetraut und den Treffpunkt gesucht, wo mich ab morgen meine Chefin vom Goethe Institut immer um 7:30 Uhr mit dem Auto mitnehmen wird (d.h.: ab morgen um 6:30 Uhr Aufstehzeit). Die Demo war um drei schon längere Zeit vorbei, und ich habe nur noch die letzten Demonstranten heimziehen gesehen. Zwei Stunden später kam dann Sara aus dem Orientinstitut mit ihrer Mutter und ihrem jüngsten Kind (Wilma, 5 Monate) zum Abendessen vorbei, das Stefan ausgezeichnet gekocht hatte: Fisch und Reis mit Tintenfischen – hat mir sehr gut geschmeckt. Und da ich ja sonst fast keinen Fisch esse, heißt das schon was. Als Sara mit Mutter und Kind dann nach dem Nachtisch wieder gegangen waren, wollte ich mich eigentlich zu Bette begeben und war durchaus verwundert, dass es erst 19:00 Uhr war. Die Dunkelheit draußen täuscht doch sehr. Also noch Lesezeit in Stefans Wohnzimmer. Aber jetzt mit wohltuendem Gas-Öfchen im Rücken...

2/13/2007

jahrestag

Morgen, am 14. Februar, jaehrt sich der Tag der Ermordung von Rafiq Hariri. Wie auch die Nachrichten allerorts berichten, wird es deswegen zu grossen Demonstrationen und Aufmaerschen in der Naehe seines Grabes am Maertyerplatz kommen. Viele Leute rechnen mit einem Anschlag oder aehnlichem. Aus diesem Grund haben auch meine beiden Arbeitsplaetze, das Orientinstitut und das Goethe Institut, geschlossen. Ich werde den Tag mit ein paar Buechern zuhause verbringen und mich erst wieder am Donnerstag aufmachen zum Goethe Institut, wo ich heute meinen ersten Arbeitstag hatte.

Also nicht wundern, wenn morgen keine Mails, Nachrichten, Blogeintraege kommen.

soweit die füße tragen

Irgendwie müssen libanesische Frauen ein Gen oder ein Chromosom oder irgendetwas mehr haben, denn sie haben die Fähigkeit, in Schuhen zu gehen, bei deren bloßem Anblick schon sich jede Mitteleuropäerin den Knöchel brechen würde. Das konnte ich allein am Flughafen schon in verschiedensten Beispielen feststellen. Mit Schuhen hatte ich selbst heute auch schon meine Probleme. Oder besser gesagt: mit Distanzen. Ich wohne ja bei Stefan in Ostbeirut und habe dann kurz nach meiner Ankunft dort den Weg zum Orientinstitut nehmen wollen. Was dabei alles anders war als sonst, davon später. Jedenfalls bin ich dann nach einer Stunde im Institut zurück nach Hause gegangen, sinnigerweise, um die Schuhe (meine Sandalen aus dem libanesischen Nachbarland) zu wechseln. Die Sandalen taten da schon reichlich weh, denn der Weg dauert vom Institut zu Stefan nach Hause nun um die 40 Minuten. Schuld daran sind die Demonstranten, die in Zelten um die Regierungsgebäude wohnen. Deswegen sind einige wichtige, und für den Weg von Ostbeirut zum Institut sehr wichtige, Straßen mit Stacheldraht abgesperrt. Auf meinem Hinweg musste ich also einen Umweg gehen und die Stadtautobahn überqueren. Nun, das ging schneller, aber allzu oft möchte ich das auch nicht tun. Man ist zwar hier im Straßenverkehr einiges gewöhnt, aber übertreiben sollte man es ja nicht. Deswegen ging ich auf dem Rückweg auf der anderen Seite einen großen Bogen um die Regierungsgebäude. Das heißt im Klartext, ich ging fast am Meer entlang. Noch weiter also. Da ich aber um 19.00 Uhr mit Kirill und seiner Freundin zum Abendessen verabredet war, hieß es nach kurzem Schuhwechsel und einem ersten Fußbad: Wieder zurück. Und nach dem Abendessen? Genau: wieder heim. Morgen, ja morgen, da nehm’ ich mir ein Taxi. Und übermorgen auch. Aber was übermorgen ist, das ist schon wieder ein neuer Eintrag...

über den wolken

Fast könnte man meinen, Alitalia hätte noch einmal eine Chance verdient. Pünktlich und relativ unturbulent ging mein Flug über Mailand nach Beirut. Diesmal trug das Flugzeug auch keinen Unheil verheißenden Namen (wie etwa Titanic oder Andrea Doria), sondern hieß ganz typisch italienisch „Johann Sebastian Bach“. Was soll denn da noch groß schief gehen.
Nur eine einzige etwas seltsame Sache: Alitalia kocht schneller als man denkt. Oder fliegt: Das Herstellungsdatum meines Essens war der 14. Februar 2007. Also vom Tag meines Fluges aus gerechnet übermorgen...

2/12/2007

heil angekommen

Mein Email-Acount funktioniert leider gerade nicht so, wie er sollte, deswegen nur kurz hier die Meldung: Ich bin heil angekommen, habe meine Koffer schon zu Stefan, in dessen Gaestezimmer ich wohne, gebracht und hatte mich dann auf den Weg zum Orientinstitut gemacht, wo ich Stefan und Kirill getroffen habe, an dessen PC ich auch dies nun tippe. Ausfuehrlicher melde ich mich dann in den naechsten Tagen.

2/10/2007

aufbruchstimmung

Man hat es kommen sehen, und niemand konnte etwas dagegen unternehmen: Ab nächster Woche gibt es an dieser Stelle wieder knappe Berichte und bunte Bilder aus dem Libanon. Anreiz zum Reisen und somit Anreiz zum Schreiben könnte sein: mein Praktikum am Goethe Institut, meine kleine Arbeit am Orientinstitut, exzessives Lauftraining auf der Corniche, Essen, Kino, Besuche* und was sonst noch auf dem Plan steht. Ich freu' mich.

*Tatsächlich haben sich zu verschiedenen Zeiten insgesamt möglicherweise sieben, relativ sicher vier vertraute Gesichter angesagt. Außerdem gibt es auch diesmal wieder mindestens einen "Bamberger" in Syrien - und das Multiple-Entry-Visum für das fried- und freundliche Nachbarland des Libanons will ja genutzt werden.