8/31/2006
8/30/2006
außerordentliche leistungen des gestrigen tages
Gestern habe ich...
- ...zum ersten Mal in meinem Leben Litschijoghurt gegessen.
- ...meine herausgebrochenen Sonnenbrillengläser mit Haushaltszement wieder eingefügt (Danke an Esther für das Bereitstellen des Equipments).
- ...zum ersten Mal gesehen, was ein wirklich großes Rudel wilder Hunde ist: Und das im Hightech-Staat. Mindestens dreißig Stück, die uns nachts auf der Straße zwischen Busbahnhof und Suq entgegengekommen sind. Ein fröhliches Heulen...
- ...ein israelisches Hip-Hop-Konzert von ha-Dag Nachash (הדג נחש) besucht. In einem zum Club umgebauten osmanischen Herrenhaus (um 1900, ich habe was gelernt im Beirutpraktikum!). Und mir mehr Blasen geholt als beim Wandern in Jordanien.
8/28/2006
my daily zebra
8/27/2006
aranne central library
Grenzenlos die Enttäuschung, zermürbend die Schmach, zum Himmel schreiend das Unrecht: Israels sicherlich faszinierendster Bibliotheksbau schließt, nachdem nun wohl alle Prüfungen vorbei zu sein suggerieren, bereits um 16.45 Uhr. Provinzieller als Bamberg. אוי חבל ...
8/26/2006
jerusalem - tiberias - tel aviv - beer sheva
Dann fuhren Julie, Lydia, Esther, Christina, Sebastian und ich weiter nach Tiberias, bezogen in der Jugendherbere Quartier, aßen keinen St.Peters-Fisch, weil er im Restaurant aus war, bzw. einer von sechsen ihn sowieso nicht bestellt hatte, und genossen die Abendstimmung an der Mole mit fruchtiger Limonade und keifenden russischen Großmüttern.
Am nächsten Morgen ging es dann erstmal vorbei am mutmaßlichen Grab (wir mutmaßten) von Maimonides zum Strand, wo wir in der Soglinie von unzähligen israelischen Grill-Patriarchen in der Sonne braten und zugleich Bratenduft annehmen konnten. Lecker. Zwei Rutschgänge in der lebensgefährlichen (Esthers Rücken kann ein blutiges Lied davon singen) Wasserrutsche, die vermutlich noch aus Herzls Zeiten stammt, lehrten uns, unser Heil doch im heiligen Wasser zu suchen, auch wenn die autoritären Bademeister jeden Badespaß zu unterbinden suchen. Wenn aus Orientalen (o-Ton PD R.E.) Spießer werden.
Heimfahrt mit etlichen Staus und schweren Gefechten unsererseits am Busbahnhof Tel Aviv. Erst im dritten Bus bekamen wir Plätze. Aber richtig schöne, das Warten hatte sich gelohnt (einreden kann man sich bekanntlich ja viel...). Späte Rückkehr, große Müdigkeit, Schluss jetzt.
8/23/2006
bagalil
Die Wochenendegestaltung nimmt Formen an. Der Großteil der Gruppe fährt am Freitag nach Yad va-Shem. Danach werden voraussichtlich Lydia, Julie, Esther, Sebastian, Ruben und ich weiterfahren an den Kinneret. Bislang habe ich die Landschaft dort nur von Umm Qays, Jordanien, aus gesehen. Dort gab es vor ziemlich genau einem Jahr ein gutes Mittagessen im Gasthaus der Ausgrabung zu genießen – mit weitem Blick auf die Golanhöhen und den harfenförmigen See. Perfektioniert wurde das sinnesfreudige Erlebnis dann tatsächlich ganz prosaisch, indem ich den wirklich allerersten frisch gepressten Orangensaft aus echten Orangen getrunken habe. Erst seitdem kann ich so etwas wie Erweckungserlebnisse richtig verstehen. Nach dem kommenden Wochenende weiß ich dann, ob der israelische Orangensaft in der Ebene genauso schmeckt wie im Hügelland im alleräußersten Nordwesten des haschemitischen Königreichs...
8/22/2006
schönes wetter heute - oder: 39°
Wenn nichts dazwischenkommt, so bedeutet das: zwischen 7.oo und 8.oo Uhr in der Früh zum ersten Mal in den Pool des Sportcentres, ab und zu zwischen Unterricht und Vorlesungen, also gegen 14.oo Uhr, und dann noch einmal abends gegen 20.oo Uhr. Wahrlich kühles Nass, okkupiert von halb Russland, beershevitischer Landjugend und prosperierenden Klein-, äh Großfamilien. Aber ein bisschen Sport muss schon sein. So mag es auch nicht verwundern, wie ich die restliche Zeit auf der Wiese des Studentenwohnheims verbringe...
(vielen Dank an Sebastian für das Photographieren im hilf- und besinnungslosen Zustand)
8/21/2006
viva la restauración!
michael jackson im nabatäerland?
go south. go east. go north. go west. go south...
Also alles auf Null und von vorn. Deswegen: go south.
Zuerst fuhren Stefano, ein Mitstudent aus Bologna/Konstanz, und ich nach Eilat, dem einzigen Zugang Israels zum Roten Meer, trafen dort mit Sasan, einem Mitstudenten aus Bamberg, zusammen und passierten spätabends die Grenze. Sozusagen: go east.
Noch kommen keine Bananen ins Spiel, vielmehr ein leckeres Fischessen, an dem ich, wie wenige verwundern wird, nur mit den Augen, nicht mit dem Gaumen partizipierte. Am Roten Meer isst man tatsächlich diese netten bunten Fische, die man sonst nur in den Tropenaquarien der heimischen Chinarestaurants zu bewundern weiß. Aber vielleicht verschicken ja deutsche Chinarestaurants ihre zu groß gewordenen Lieblinge nach Jordanien? Go east. Maybe...
Mit einem Grüppchen etwas arroganter Backpacker dann am nächsten Morgen nach Petra – wo wir zwei Tage blieben. Während es für Sasan, der am Sonntag seinen ersten Praktikumstag in Yad wa-Shem hatte und noch etwas mit den China-Buntbarschen schnorchelnd liebäugeln wollte, go south hieß, folgte ein go north für Stefano und mich, die wir am frühen Abend in Amman ankamen. Einmal mehr nahm ich im Farach-Hotel Quartier, dessen deutsche Übersetzung mit „Freudenhaus“ zwar von der Lexik akzeptabel, begrifflich doch etwas verfänglich ist. Auch dieses Mal die Überzeugung, dass lediglich der immanente Dreck dieses Etablissement zusammenhält, aber man ist ja im Orient. Go east. Go very east.
Am Abend besuchten wir dann das römische Amphitheater, das von Antonius Pius erbaut wurde – so die jordanischen Hinweisschilder. Selbstverständlich ist es kein Amphitheater, und Herr Pius verdient ein i mehr im Namen. Aber Photos gibt es zu begutachten, also möge man sich selbst ein Bild machen. Und, um in alten Traditionen zu bleiben, wieder beim Iraker an der Ecke zum Essen gegangen. Nur ist mir durch Stefanos rege Auffassungsgabe zum ersten Mal bewusst geworden, dass der Iraker zwar gutes Fleisch und leckeres Gemüse serviert, jedoch kein Besteck bereithält. Darüber sinnierend, wie ich denn das Essen die letzten beiden Male im vergangenen Sommer und dieses Frühjahr gegessen habe, gelang es mir auch diesmal im hygienisch etwas bedenklichen Farach-Hotel ein Auge zuzumachen. Fell asleep.
Der Sonntag sollte zur Tour de Force und Tour de Proche-Orient werden, Amman – König-Hussein-Brücke – Jerusalem – Beersheva. Alles in allem sehr anstrengend und schweißtreibend, aber auch interessante Eindrücke wie ein leicht reizbarer palästinensischer Familienvater, der fast ein fremdes Kind verprügelt hätte. Oder die V.I.P.-Loge der jordanischen Grenze, in die wir uns muffelnd und verschwitzt zwischen die saudischen Geschäftsleute geschmuggelt hatten. Oder ein echter Fedayyeen, wie er auch nur noch im Buche steht, mit französischem Pass, nur noch einem Auge, auf dem Weg aus Paris nach Jericho und großer Bewunderung der mitfahrenden Schuljungen. Und wir? Genau: go north, go west, go south. Durch die Wüste beim Toten Meer, durch die Wüste der Westbank, durch die Bananenfelder, die auch Deutschland beliefern könnten, wenn nicht ein anliegender Staat etwas dagegen hätte. Und durch die Wüste auf dem Weg nach Beersheva, Israels Traum in der Wüste.
8/16/2006
al-urdun
wanderfrust
8/14/2006
guppies in the desert
Doch bevor Granatapfel, Rebstock und Mandelbaum davon profitieren, erdachte sich ein Wissenschaftler namens Dr. Applbaum (nein, kein Witz jetzt) noch etwas: Auch Guppy, Koikarpfen und der dicke Waller sollen etwas davon haben. Mitten in der Wüste also große Fischfarmen, die Speise- und Zierfisch für heimische Tische und Goldfischkugeln produzieren. Über Sinn, Unsinn, Rentabilität, Umweltschutz und Tierquälerei mag diskutieren wer mag, aber ein Kreativitäts(trost)preis sollte auf alle Fälle dabei sein, oder?
wüstennacht (II)
In eben dieser Nacht starteten die Angriffe auf Teile des Beiruter Zentrums. Der Leuchtturm mit seinem Café, in dem ich so gern gesessen bin, wurde von der See aus unter Beschuss genommen. Ich weiß nicht, ob es einen Zusammenhang gibt, und ich weiß nicht, ob das überhaupt von Bedeutung ist.
durch die wüste mit gryphius
- Trinken! (eine Aufforderung, die freundlicherweise alle exakt 10 Minuten wiederholt wurde)
- Wasser kann Leben und Tod bedeuten
- sechs Meter hohe Springfluten, die gut gelaunt durch die Wüste springen, wenn sie nicht anderes zu tun haben
- Wüste kann Leben und Tod bedeuten
- Trinken! Ah, sagte ich schon...
- Ist das nicht schön?
- Setzt euch hin. Setzt euch hin! SETZT EUCH HIN!
- Leben und Tod liegen eng zusammen in der Wüste
- Wasser kann tödlich sein!
- Und trinken!
Fällt etwas auf? Genau! Diese treffende Antithetik aus Leben und Tod. Wasser kann nämlich Leben und Tod bedeuten. Und in der Wüste gibt es Leben und Tod. Einsamkeit. Vergänglichkeit. Ist nicht alles nichtig? Und ist das nicht schön? Und trinken!
Mir war’s, als wandelte ich durch ein einziges großes nächtliches mondbeschienenes Barockgedicht. Vorbei an frischen Blumen und Totenschädeln, Plitz und Schweffel-Regen, an Fewr, Pech, Sturm und Grim...
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind
wird spielen mit den Herden:
Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten
werden.
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein
Nichts
ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an,
bald donnern die Beschwerden.
8/13/2006
my room is my castle
wie ich einen mitbewohner verloren und einen neuen gefunden habe
Wie man sich vorstellen kann, verbrachte ich die folgenden Tage in Angst und Schrecken.
Von meinem Mitbewohner nahm ich nur selten etwas wahr. Und dann stand da eines Tages ein wildfremder Mensch am Herd. Der war nämlich wirklich mein Mitbewohner. Und nicht der mit dem Pagenschnitt. Das war der Hausmeister. Brrr.
Mein Mitbewohner hat eher einen Rasenmäherschnitt und heißt Assad. Arabischstämmiger Medizinstudent im 2nd Degree. Und hat mir gleich seine Zugangsdaten fürs Internet gegeben. Damit ich illegal mit meinem PC über seine Leitung Emails lesen kann. Nett, oder? Jedenfalls: Auch wenn der ‚alte’ Mitbewohner sicher hilfreicher gewesen wäre, um Klaviere zu transportieren oder Bären zu jagen, bin ich über die aktuelle Veränderung meiner Wohnsituation mehr als beruhigt. Im Kino waren wir auch schon, und ab nächste Woche gilt die Agenda, nur noch Arabisch zu sprechen. Also. Mal sehen.
8/07/2006
fliegen mit ignatius
Dann weiter nach Tel Aviv. Kurz nach dem Abflug von Rom: das Beten geht los. Ich mittendrin in einer größeren Gruppe französischer Juden. Die Fransen der Gebetsmäntel wehen mir von allen Seiten ins Gesicht. Auf dem Tischchen liegt vor mir als Lektüre Ignatius, zum Essen habe ich „senza maiale“ bestellt: ganz klar als Außenseiter gebrandmarkt also. Großer Tumult bricht los. Das koschere Essen ist, so genau konnte ich das nicht nachvollziehen, entweder nicht gut, nicht richtig oder nicht richtig aufgetaut. Was folgte, war Spektakel pur: Aufgebrachte frankojüdische Matronen setzten sich stimmgewaltig und mit vollen Körpereinsatz gegen die hilflosen Stewardessen und Stewards ein. Auch Leute, die selbstständig zum Getränkewagen gehen und sich selbst nachschenken habe ich auf diesem Flug zum ersten Mal gesehen. Und mittendrin auch noch sie: Martina, ein kleines jüdisches Mädchen aus Rom. Übt, ob für den nächsten Kindergeburtstag oder die italienische Miniplaybackshow – non lo so, wilde Tanzakrobatik auf dem Gang ein. Geschlagene drei Stunden. Mir drängen sich Vergleiche zu den alttestamentlichen Rachevorstellungen ein, bis sich mir die Lösung so einfach bietet, wenngleich ich damit wissentlich die Anleitung, die Ignatius (immer noch auf den Tisch vor mir) gibt, in den Fahrtwind schlage: Ich frage Martinas Mutter in höflichem Italienisch: „Entschuldigen Sie, Sie sind doch die Großmutter von diesem kleinen Mädchen. Meinen Sie nicht, dass das zu gefährlich ist mit den ganzen Turbulenzen und so?“ – ernte einen vernichtend bösen Blick, und Martina überdauerte die restlichen fünfzehn Minuten sitzend. Nachdem dese elfte Plage zur Stabilitas loci verdammt war, konnte ich auch als einziger Passagier im Flugzeug das tun, was sie allesamt doch so gern getan hätten. Essen. Ich war in der Tat der Einzige, der – immerhin dann drei Portionen – „Pasto senza maiale“ zu sich nehmen wollte. Deliziös ist etwas anderes, aber die Stewardess hat sich, da bin ich mir sicher, wirklich über mein Lob gefreut. Und Ignatius vielleicht auch wieder.